Boris Buden

Vom Ende der Transformation

Die große Transformation ist erfolgt. Hatte sie aber einen historischen Charakter? Die Antwort ist eindeutig: Nein. Es fehlte ihr eine wichtige Dimension der Geschichte – die Zukunft.

Wir wissen ganz genau, wann diese Zukunft verspielt wurde, nämlich gleich mit dem sogenannten Zusammenbruch des Kommunismus. Ganz im Gegensatz zur heute herrschenden Geschichtsschreibung, die in den demokratischen Revolutionen von 1989/90 das Ende der Spaltung Europas sieht und jubelt, haben diese Ereignisse die Existenz und klare Abgrenzung der beiden normativen Identitätsblöcke, des Westens und des Ostens, eher bestätigt und aufrechterhalten. Das geschieht schon im Begriff der Transformation selbst. Das, was subjektiv als eine große historische Transformation erlebt wurde, ist selbst in eine einfache Ausweitung und Erweiterung des schon Bestehenden und Bekannten transformiert worden. So wurde die Integration Europas, das zukunftsträchtige Projekt einer transnationalen demokratischen Gemeinschaft, das schon das dreihundert Jahre alte System der souveränen Nationalstaaten grundsätzlich transformieren sollte, zu einer simplen Integration des postkommunistischen Ostens in die schon existierende westliche Ordnung reduziert. Die Transformation Europas wurde zur Transformation des anderen Europas. Es musste sich nur dieser Andere aus dem Osten transformieren und zwar nur im Sinne seiner opportunistischen Anpassung an den Westen, in dem man jetzt die beste aller möglichen Welten gesehen hat. Auf der anderen Seite sah der Westen keinen weiteren Grund, sich selbst zu transformieren. Stattdessen gab er sich einer Kultur des Triumphalismus und der Selbstzufriedenheit hin und wartete nur noch, dass sich der Andere aus dem Osten entsprechend verändert und die versäumte historische Entwicklung nachholt.

Eine der schwerwiegendsten Folgen dieser im Begriff der historischen Transformation vollzogenen Reduktion ist die Trennung von Demokratie und Transformation. Aus der Demokratie wurde ein „Wert“ und aus einer sich verändernden Gesellschaft eine „Wertegemeinschaft“. Werte hat man einfach. Man kann sie pflegen oder schützen ohne sich dabei verändern zu müssen. Mehr noch, man fürchtet sich jetzt vor einer Transformation und tut alles, um sie zu vermeiden. Das Gleiche gilt für die Zukunft. Da man nie weiß, was sie bringt, kann man auf sie ganz verzichten. Wer Werte hat, braucht keine Zukunft.


Boris Buden, geb. 1958 hat Philosophie in Zagreb studiert und arbeitet als freier Journalist, Übersetzer und Publizist. Er hat an der Documenta 11 in New Delhi und Kassel teilgenommen und das für unser Projekt sehr wichtige Buch Zone des Übergangs. Vom Ende des Postkommunismus geschrieben. Außerdem ist er Mitarbeiter des Europäischen Instituts für progressive Kulturpolitik (EIPCP) in Wien.