Der gelbe Elefant

Es war einmal ein gelber Elefant, der eines Tages in einem Einkaufszentrum in Wuppertal aufwachte und nicht so recht wusste, wie ihm geschehen war. Denn eigentlich kam er ja aus der DDR und ganz eigentlich kam er auch gar nicht aus der DDR, sondern vielmehr aus Indien.
Und wie er in die DDR gekommen war und hier ins Einkaufszentrum, das war ihm ganz und gar nicht klar.

So saß er nun tagein, tagaus in der Rathaus Galerie in Wuppertal. Einem Einkaufszentrum, in dem sich über die Jahre, die der gelbe Elefant mittlerweile hier war, viel geändert hatte. Einst hatte die Rathaus Galerie sogar einen Preis bekommen als schönstes Einkaufszentrum. Und dann bauten sie im Zentrum der Stadt ein neues Einkaufszentrum, das aussah wie ein Schiff. Von da an hatte es die Rathaus Galerie schwer. Auch der gelbe Elefant wurde immer einsamer. Und immer gelber, weil die Menschen im Einkaufzentrum ihn nur mit Bananen fütterten.

Ein bisschen schöner als im Zoo in der DDR war es hier zwar schon, zumal der Elefant nicht befürchten musste, dass ihn einer seiner Mitinsassen beim Wärter verpfiff, wenn er etwas gegen den Zoodirektor sagte. Aber so schön wie im Regenwald in Indien war es hier nirgends.
Und dabei sehnte er sich doch so sehr nach einem anderen Licht als dem von den Leuchtstoffröhren. Und nach Hitze und Kälte statt den gleichbleibenden 21 Grad, tagein, tagaus.

Die Menschen im Einkaufszentrum lächelten auf die gleiche Weise verkehrt herum wie in der DDR. Dabei war hier alles
viel bunter.
Dass ihn alle immer auf Tuffi ansprachen, einen Elefanten,
den man im Jahr 1950 in die Schwebebahn gesteckt hatte,
der dann ausgebrochen und in die Wupper gesprungen war,
das passte ihm gar nicht. Nur weil er ein Elefant war.
Ach und überhaupt war er hier für alle der Ossi und entweder war es den Leuten egal oder sie wollten immer nur darüber mit ihm reden. Wie es denn damals gewesen sei in der DDR, in dem Land, in dem alles schwarz-weiß war, und wo nur im Namen der Partei gelacht werden durfte.
Manchmal in einer schwachen Minute fragte er sich, ob es wirklich besser sei, wenn alle wie heute ins Leere lachten. Aber den Gedanken verwarf er wieder. Denn er war nun wirklich kein Kommunist, denn er hatte zum einen Humor und zum anderen noch Gefühle. Auch wenn ihm der Kommunismus als mathematische Gleichung recht schlüssig vorkam.

Aber wie gesagt, der Elefant kam ja eigentlich aus Indien und solch kleingeistige Überlegungen, wie sie der Westen anstellte, also welcher Wichser das größere Arschloch war, interessierten ihn nicht. Am Ende war das hier alles Barbarei aus seiner Sicht. Was nicht heißen soll, dass in Indien alles besser gewesen war. Nur waren die Stöcke, mit denen er dort verprügelt wurde,
etwas kleiner.
Wenn man es genau nimmt, zweifelte er also am Menschen überhaupt. Nein, er zweifelte nicht, er wusste ganz sicher, dass hier irgendetwas ganz verkehrt lief. Und er war sich nicht sicher, wie geduldig er noch sein sollte.

Und dann bekam die Welt, oder genauer gesagt: der Mensch, Corona und da war der Elefant auf einmal ganz alleine im Einkaufszentrum. Und das war schrecklich für den gelben Elefanten. Denn am Ende ist es schlimmer, wenn gar nicht mit
dir geredet wird, als wenn dummes Zeug mit dir geredet wird.
An einem einsamen Abend geschah es dann, dass der gelbe Elefant den Entschluss fasste, den Menschen noch eine einzige letzte Chance zu geben, sich zu ändern. Und dabei ging es ihm nicht um sich, es ging ihm um die Menschen. Denn er selbst war eines Tages verhungert, weil ihn niemand mehr mit Bananen fütterte.